4.10.2024

Nur Holz – Über die Geschichte des Bauens mit Holz in Finnland

Finnland ist von Wäldern bedeckt und Holz ist ein traditionelles finnisches Baumaterial. Die Forscher der Architekturgeschichte und Sachkenner der Finnischen Holzbautradition, Laura Berger und Netta Böök, erläutern, wie das Bauen mit Holz sich aus den allgemein vertrauten Grundkenntnissen zu industriellen Innovationen und zu einem Exportschläger staatlichen Niveaus entwickelte.

Foto: Netta Böök, Livady

„Gibt es in den südlichen Ländern Föhren, Kiefern und Fichten, groß und klein, in solchen Mengen wie hier bei uns in Finnland? Dass dort Obstbäume zu Hause sind, wissen wir schon, aber unsere schönen Fichten und Kiefern sucht man im Süden wohl vergebens? Daraus werden Räume, Kirchen und Brennholz hergestellt.“ Ein Schuljunge antwortete: ”Was fragt ihr so was Sinnloses!

Ihr solltet doch kapieren, die südlichen Länder sind so warm, dass weder Wohnräume noch Brennholz dort nötig sind.” — Magazin Varpunen, 1.6.1860

Das Gespräch der Schulburschen vom Jahr 1860 erzählt zutreffend von der lange erhaltenen Vermutung, dass sowohl die Wohnhäuser als auch die bedeutendsten Bauwerke, wie die Kirchen, lediglich in Blockholzbauweise erbaut wurden. Ein traditionelles finnisches Gebäude wird aus Massivholzbohlen mit Beil handgezimmert und mit einem massiven Kaminofen ausgestattet. Hier handelt es sich um das Überleben: Ein aus wärmespeichernden Materialien gebautes Haus erhält das Leben über den langen und kalten Winter.

Der Staat spornte seit dem 16. Jahrhundert die Finnen an, mit Stein zu bauen – sowohl aus Präsentationsgründen als auch wegen Brandschutz, allerdings mit wenig Erfolg. Das einheimische Holz als Baumaterial war eine lange Zeit kostenlos und, weil relativ weich, auch leicht zu bearbeiten. Sogar die Dacheindeckung eines traditionellen finnischen Bauernhauses war aus Holz gezimmert.

Das Bauen mit Blockhölzern ist jedoch körperlich schwer und nimmt viel Zeit und Material in Anspruch, da ein für Wandbau bestimmtes Blockholzstück am besten eine Maximallänge von 10 bis 12 Metern hat und somit mehrere Hundert Kilogramm auf die Waage bringt. Außerdem sollten die Holzstämme fürs Bauen erst dann gefällt werden, wenn diese viel über hundert Jahre alt sind, um das Verfaulen der Blockhölzer zu vermeiden. Trotz alledem bauten die Finnen bis Anfang des 20. Jahrhunderts alles Mögliche in Blockholzbauweise, von Herrenhäusern bis Schulen, Scheunen und Feuerwachen nicht zu vergessen. Der technische Höhepunkt der Blockholzbauweise wurde im 19. Jahrhundert beim Erbauen der riesengroßen Holzkirchen erreicht.

Andererseits wurde das Baumaterial Blockholz als alltäglich empfunden und wurde deswegen gerne durch Bretterschalung, Farbanstrich oder Tapezierungen überdeckt. Erst in der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entdeckten die durch die nationale Bewegung belebten Künstler den bäuerlichen, wahrhaft finnischen Charakter des Blockholzes und ließen Wohnvillen aus kahlen Blockhölzern in unberührten Waldgebieten für sich errichten.

Sirkkala Schule, Turku. Foto: Netta Böök

Weniger ist mehr

In dem zunehmend urbanisierten Finnland des 20. Jahrhunderts war der Mangel an Wohnungen und an Platz bald eine aktuelle Frage. Bereits im vorigen Jahrhundert fehlte es an ordentlichen Massivholzbalken und von nun an wurden effektivere, schnellere und preiswertere Holzbauweisen gesucht. Um die Produktivität der Baubranche zu steigern, waren diese drei Mittel die Hilfsreichsten: Das industrielle Bauen, die Standardisierung und die leichteren Konstruktionen.

Die Architekten Finnlands beobachteten die internationale Entwicklung mit großem Interesse, besonders in Nordischen Ländern und in Amerika. Eine der Inspirationsquellen war die in Chicago entwickelte Holzrahmenbauweise, woraus in Finnland eine eigene Variante zu Stande kam. Statt Massivholzbalken wurde für Hausbau ein leichtes, auf Maß gesägtes Bauholz verwendet.

Dieses wurde nun mit Nägeln befestigt und mit Diagonalschalung ausgesteift. Diese Bauweise wurde durch die industrielle Werkholzproduktion und die standardisierten Bauprodukte, wie Nägel, ermöglicht. Holz wurde von nun an deutlich weniger gebraucht und das Bauen selbst war schneller und billiger geworden.

Der Holzrahmenbau wurde im kalten Klima Finnlands wettbewerbsfähig erst in den 1930er Jahren, als neue Wärmedämm- und Isolierungsmaterialien (Isolierstoffe?) auf die Märkte kamen. Zu derselben Zeit war das Moderne im Vormarsch und die Stilideale entwickelten sich dadurch in eine zunehmend vereinfachte Richtung.

Die Typhäuser ermöglichten eine wesentlich effektivere Bauproduktion und ließen die Arten und die Mengen der zu verwendenden Materialien im Voraus bestimmen. In den 1920er Jahren ließen besonders die staatlichen und die gemeinnützigen Organisationen Typpläne für Kleinhäuser fürs Land und für die Stadt anfertigen. Als Ziele galten sowohl eine erhöhte Wohnqualität als auch Anweisungen an Bauherren, im Erscheinungsbild ästhetische und gleichmäßige Bauten zu schaffen.

Neben der Verbreitung von Typplänen fingen auch mehrere Unternehmen in den 1930er an, Typhäuser zu produzieren.

Gestrebt wurde dabei nach der industriellen Voranfertigung der Bauteile und der Standardisierung des Bauprozesses. Ein frühes Beispiel dafür sind die von Alvar Aalto im Jahr 1936 für A. Ahlström AG entworfenen A-Häuser. Trotz der Berühmtheit des Architekten, diese Häuser wurden nur geringfügig realisiert – vorwiegend als Arbeiterwohnungen in Forstwirtschaftsgebieten. Im Laufe der Geschichte ist Holz für viele Zwecke verwendet worden. Jedoch erst die Industrialisierung konnte dafür neue Möglichkeiten zunehmend anbieten. Schon im Jahr 1936 wurde Alvar Aalto nach London eingeladen, um die Ausstellung namens Wood only zu organisieren. Zu sehen waren, neben Möbeln, aus Schichtholz angefertigte Gegenstände, Wandtapeten, hölzerne Bausteine für Kinder – und als Höhepunkt ein ”kunstseidener” Teppich, gewoben aus Zellstoffabfall, also aus Holz!

Puu-Vallila, Helsinki. Foto: Darya Belaya

Der Durchbruch der leichten Holzbauweise

Der Zweite Weltkrieg verursachte einen bis dahin nicht gesehenen Bedarf, Wohnungen schnell sowohl auf dem Lande als auch in den Städten zu produzieren. In Finnland wurde die Wohnungsfrage brennend akut im Jahr 1940, als Finnland ca. zehn Prozent von seiner Fläche an die Sowjetunion verlor und somit gezwungen war, schnellstens Unterkunft für über 420.000 Evakuierte zu schaffen.

Obwohl Fertigteilhäuser schon früher in kleinen Mengen produziert wurden, fing das im Jahr 1940 gegründete Unternehmen Puutalo OY (Holzhaus AG) als Erstes mit der Massenproduktion an. Puutalo Oy wurde von den 21 größten Holzindustrieunternehmen Finnlands gegründet.

Diese Firmen verfügten bereits über Produktionslinien, Holzreserven und ein bestehendes Netzwerk für den Transport der Rohstoffe und der Fertigprodukte. Somit waren die Bedingungen für ein rasches Loslegen einer effektiven Zusammenarbeit erfüllt. Auch die Erfahrungen aus dem Errichten der 2.000 vom Schwedischen Staat gestifteten Wohnhäuser waren besonders hilfreich, um gemeinsam neue standardisierte Hausmodelle zu entwerfen. Diese Häuser bestanden lediglich aus hölzernen Fertigelementen und konnten in nur wenigen Tagen aufgebaut werden.

Die Häuser von Puutalo Oy reichten jedoch jahrelang nicht aus, um die einheimische Nachfrage während des Wiederaufbaus zu sättigen, da die Fertigteilhäuser bereits während des Krieges ein bedeutendes Exportprodukt waren. Als der Fortsetzungskrieg im Jahr 1944 endete, war Finnland unter den Verlierern und der Staat gezwungen, Reparaturen an die Sowjetunion zu liefern. Dazu gehörten Fertigteilhäuser in erheblichen Mengen. Die Sowjetunion schaffte sich diese Häuser auch im Austauschhandel an, insgesamt ca. 100.000 Stück. Zusätzlich wurden Tausende von Holzhäusern nach über 30 Ländern exportiert und auch noch heute sind solche ”Finnenhäuser” auf allen bewohnten Kontinenten zu sehen. *

Trotz der Entwicklung im industriellen Bauen, errichteten Tausende von Selbstbauern errichteten ihre Häuser in Holzrahmenbauweise mit Holzplanken und -brettern. Nach dem Krieg verfügten sie über Typpläne, die von mehreren gemeinnützigen Lieferanten angefertigt waren.

Das Konsultieren jener Pläne war für die Anschaffung der Baumaterialien notwendig, denn zu den Zeiten herrschte Mängel an allen Produkten. Anhand der Typpläne entstanden nun Kleinhäuser mit anderthalb Stockwerken, genannt Kriegsveteranenhäuser. Dieser Ausdruck ist Folge des gleich nach dem Krieg gegebenen Gesetzes, das eine Abgabe der Grundtücke an Kriegsveteranen und ihre Familien für das Errichten der Eigenheime bestimmte.

Holzlog

Wie ein massives Blockholzhaus, besteht das in den 1940-1950er Jahren in Rahmen- oder Plattenbauweise gebaute Holzhaus praktisch gesehen nur aus einem Material – ist ja auch die Wärmedämmung dessen auf Holzbasis, durch Anwendung von Sägemehl und Baupappe.

Eine nur aus einem Material bestehende Konstruktion ist leicht zu verstehen und auch leicht zu warten und zu reparieren.

Auch das Bauen mit Blockhölzern ist in Finnland nicht verschwunden. Es flüchtete nur vorerst zu Orten, wo die Finnen ganz naturnah leben wollen – in die Wälder und nach Lappland.

Diejenigen, die sich mit Bautraditionen bestens auskennen, fällen sogar die Bäume fürs Bauen genauso wie in vergangenen Zeiten und benutzen traditionelle Werkzeuge während des gesamten Bauprozesses. Dasselbe geschah zur Jahrtausendwende sogar beim Kirchenbau, als in Kärsämäki eine moderne Kirche gänzlich anhand der traditionellen Holzbautechniken erbaut wurde.

Heute will das Massivholz in die Städte zurückkehren, nicht mehr weil es das einzige vorhandene Baumaterial wäre, sondern weil ein ordentlich gebautes Massivholzhaus langlebig und gesund ist. Als ein Wert betrachtet man auch die Tatsache, dass ein Holzhaus während seiner gesamten Nutzungsdauer als Kohlenstoffspeicher fungiert, und am Ende der Nutzung lässt sich das Gebäude abtragen und das Holz sich anders wiederverwenden oder der Natur zurückgeben. Aber, was könnte kerniger die tausendjährige Blockholzbautradition wiedergeben? Natürlich die finnische Rauchsauna!

Text: Laura Berger und Netta Böök, Archinfo