Das Können in der Sache Holz Stecktbei den Finnen in Ihren Genen
– Finnische Holzarchitektur von Heute im Überblick
In den alten Zeiten waren die Finnen in der Lage, ihre Häuser selbst zu bauen. Die moderne,von der Digitalisierung und neuen industriellen Methoden unterstützte Holzarchitektursetzt aber auch ein neuartiges Können voraus. Architektin und Architekturjournalistin Tarja Nurmi berichtet über die aktuellen Trends der finnischen Holzarchitektur.
Die Brüder in dem beliebten Roman Die Sieben Brüder (1870) des Nationalschriftstellers Finnlands, Aleksis Kivi, werden oft für etwas dumm gehalten, weil sie stur und Analphabet sind. In Wirklichkeit sind sie echte Multitalente: Sie können das Land bestellen, jagen und fischen – und auch ihre Häuser selbst bauen.
Die Fähigkeit, Werkzeuge für den Holzbau verwenden zu können, gehört ja zur finnischen Kulturtradition. Die eigenhändig gezimmerten Holzblockhäuser konnten später auch, Holzlage für Holzlage, abgetragen und zu einem anderen Ort gebracht und dort wiedererrichtet werden.
Eine Diskussion über das Recycling oder die Wiederverwendung war überflüssig, weil in damaligen Verhältnissen diese Selbstverständlichkeiten waren. Genauso selbstverständlich war, dass die mit Moos abgedichteten und isolierten Blockholzhäuser durchaus umweltfreundlich waren, ohne dass man sich über deren ökologische Nachhaltigkeit Gedanken machte.
In der industrialisierten und modernisierten Welt, auch in Finnland, müssen wir einige Grundsachen neu lernen. Wir wollen wieder mit Holz bauen – und zwar möglichst ordentlich. Das industrielle Bauen passt zum Holzbau, wobei manche in den vergangenen Zeiten bekannten Methoden heute nicht in Vergessenheit geraten sollen: Das traditionelle handwerkliche Können im Holzbau ist auch eine Ressource. Im Institut für Architektur der Aalto-Universität werden seit den 1990er Jahren die Eigenschaften des Holzes und das Know-how im Holzbau in einem speziellen Ausbildungsgang namens Holzstudio studiert (Wood Program).
Einer der neuesten auf dem Holzstudio beruhenden Bauten ist das Veranstaltungszentrum Pikku-Finlandia – Klein-Finlandia (Jaakko Torvinen, Havu Järvelä, Elli Wendelin, 2022) an der Seebucht Töölönlahti in Helsinki, direkt vor Alvar Aaltos ikonsicher Finlandia-Halle stehend.
Der beeindruckende Aufstieg der neuen Holzarchitektur In diesem Jahrtausend sind der moderne Holzbau und die moderne Holzarchitektur in einem starken Aufwind. Die Voraussetzungen dafür sind die neuen fachlichen Fähigkeiten und Einstellungen, sowohl bei den Planern als auch bei den Auftragsgebern und Handwerkern.
Am Anfang der 2010er Jahre entstand im Stadtkern Helsinkis ein Gebäude, das durch seinen klarförmigen Baukörper und seine Holzfassade sich gänzlich von seiner Umgebung abhebt. Die zum Gemeindeverbund Helsinki gehörende Kapelle, (Kamppi Chapel von K2S Architekten 2012), ist für geistliche Meditation, frei von jeglicher Konfession, bestimmt.
Große Aufmerksamkeit im Bereich Wohnungsbau erweckte seinerzeit das mit dem Finlandia-Preis ausgezeichnete Mehrgeschossholzhaus Puukuokka 1 in Jyväskylä (OOPEAA – Office for Peripheral Architecture). Das in drei Phasen realisierte Mehrgeschossholzhausareal wurde im Jahr 2018 komplett fertiggestellt.
Auch für die zu unseren bekanntesten modernen Architekturobjekten gehörende Helsinkier Stadtzentrumsbibliothek Oodi (ALA-Architekten, 2018) wurde viel Holz verwendet. Ähnlich vom Charakter und ähnlich beeindruckend ist die nach außen als Vordach verlängerte Unterdecke im Eingangsgebäude des Helsinki-Vantaa-Flugterminals (2021), das auch von ALA-Architekten entworfen ist und im November 2022 mit dem Finnischen Holzpreis ausgezeichnet wurde.
Eine der spannendsten und behaglichsten Arbeitsmilieus befindet sich in einem in Holzbauweise errichteten Bürohaus in dem Wood City-Viertel. Es ist ein Beweis dafür, dass ein international erfolgreiches Computerspielunternehmen ein Holzhaus sogar als seine eigene Warenmarke sieht. Der letzte Teil der in dem neuen Helsinkier Stadtteil Jätkäsaari stehenden Büro- und Wohngebäude verbindenden Wood City (Anttinen Oiva Architekten, 2019–2024) ist im Bau.
Die traditionelle Blockholzbauweise dient auch der zeitgenössischen Architektur
Der Holzbau neuer Generation hat schöne und behagliche Tagestätten – und Lernumgebungen produziert. In vielen von ihnen wird CLT-Massivholz benutzt, aber auch traditionellere Blockholzkonstruktionen bringen uns weiter. Noch am Anfang der 2000er Jahren schien das Bauen in Blockholzbauweise recht schwierig zu sein. In Tuusula wurde im Herbst 2023 ein Gymnasium – und Multifunktionszentrum Monio (AOR Architekten, 2023) in Blockholzbauweise fertiggestellt.
Wohlbefinden in Rahmen der Holzkonstruktionen
Bei den Konstruktionen für Camping und Wanderung ist Holz eine natürliche Wahl. Die Bauten in der Wildnis, wie Brücken, Pfade mit Steghölzern oder Aufsichtsplattformen und Türme fürs Beobachten der Natur, sollen ökologisch, ästhetisch nachhaltig und naturerlebnisfördernd sein.
Deswegen ist es natürlich, diese mit Holz zu bauen. Als ein gutes Beispiel dafür gilt der in Helsinki am Meerbusen Vanhankaupunginlahti erbaute Wanderweg Nattours mit seiner Aussichtsplattform, geplant von Studio Puisto Architekten und von Nomaji Landschaftsarchitekten (2018, 2022).
Das Bauen in der Wildnis bedeutet auch außergewöhnliche Herausforderungen für die Planung. Als Architekt Manu Humppi, zugleich ein erfahrener Wanderer, die in einem lappländischen Naturpark stehenden kostenlosen, offenen Hütten und die dort zu vermietenden Hütten plante (Wildnishütten in Rautulampi, 2021), entstand bezüglich der Wetterfestigkeit und der Naturverhältnisse die Frage: Wie kann man in unberührter Wildnis bauen? Die Antwort lag in den vorangefertigten, mit Schneemobilen und mit einem Gleisketten-LKW transportierbaren CLT-Elementen.
Darüber hinaus glänzt nun das funktionalistische Olympiastadion Helsinki mit seiner neuen, holzverschalten Tribünenüberdachung (K2S Architekten & NRT Architekten, 2020), die mit dem Finlandia-Architekturpreis des Jahres 2020 ausgezeichnet wurde.
Ein interessantes und ehrgeiziges Beispiel dafür befindet sich in Kotka, wo die Decke des Eventzentrums Satama-Areena (ALA Architekten, 2023) als eine Hängekonstruktion im Holz realisiert worden ist.
Seit dem 2010er Jahren wird der Trend, lockende öffentliche Saunas zu bauen, immer stärker. Der Botschafter dieser Tendenz war das mit Holzlatten verschalte Sauna-Restaurant Löyly (Avanto Architekten, 2016) im Helsinkier Hernesaari. Auf einer Insel vor Helsinki steht die in traditionellerer Blockholzbauweise errichtete, von OOPEAA entworfene Sauna Lonna (2017). Auch in Jyväskylä wurde im Juni 2022 das Strandsauna-Restaurant Viilu (KOAN Oy, 2022) fertiggestellt und eröffnet.
Was ist die Sprache der neuen Holzarchitektur?
Wir brauchen mehr Zimmerer der neuen Generation und Fachleute mit handwerklichen Fähigkeiten eines Tischlers für eine sorgfältige Realisierung der Details. Das Bauen mit Holzelementen und CLT-Platten dürfte die Ästhetik nicht monoton machen. Für die neuen Holzbauweisen sollte eine neue, gefühlvolle Detaillierung entwickelt werden, die sich nicht mit Minimalismus allein zufrieden geben mag.
Genauso, wie die sieben vielbegabten und eine lebhafte Sprache sprechenden Fantasiebrüder von Schriftsteller Aleksis Kivi am Ende der Geschichte lesen lernten, könnte in Finnland eine neue und lebhafte Holzbausprache entstehen. Dieses verlangt sowohl einzelne Entdeckungen und Einfallsreichtum als auch Verstand für eine neue Ästhetik. Dieses verlangt Geschick, Holz zu bearbeiten und erfinderische Nutzung der Digitalisierung und der neuen industriellen Methoden. Dieses verlangt auch Zusammenarbeit der Planer, der Handwerker und der Industrie und, vor allem, wachsame und qualitätsbewusste Auftraggeber.
Text: Tarja Nurmi, Archinfo, edited Puuinfo